Apotheken-Newsletter No. 2

04/2018

Eine Retaxation wegen fehlender Zulassung eines Fertigarzneimittels ist jedenfalls dann unberechtigt, wenn das Arzneimittel in der Lauer-Taxe als verkehrsfähig gelistet ist.

Bundesozialgericht, Beschluss vom 23.11.2017, AZ: B 3 KR 36/17 B


Die beklagte Krankenkasse ist durch das Sozialgericht Meiningen verurteilt worden, an den klagenden Apotheker 7368,79 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Die Belieferung eines Versicherten der Beklagten mit Oxybutynin 0,1%, G. Instillationssets 10 ml (10 mg) sei zu Unrecht retaxiert worden, urteilte das Gericht. Die Entscheidung wurde durch das Landessozialgericht Thüringen bestätigt. Das Bundessozialgericht wies die dagegen gerichtete Revision zurück.

Die ärztlich verordneten Oxybutynin Instillationssets waren zum Zeitpunkt der Belieferung des Versicherten nicht nach § 21 AMG zugelassen. Eine fehlende Zulassung hat grundsätzlich zur Folge, dass das betroffene Fertigarzneimittel nicht in den Verkehr gebracht werden darf. Hier bestand entgegen diesem Grundsatz nach der Übergangsvorschrift des § 141 Abs. 4 AMG Verkehrsfähigkeit, worüber die F. und H. H. den Hersteller, den Inhaber der Apotheke informierte, weil er beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen Antrag auf Zulassung des Fertigarzneimittels gestellt hatte. Das Fertigarzneimittel war in der Lauer-Taxe als abgabefähig gelistet.

Nach § 4 Abs. 5 S. 1 Halbs. 2 Arzneimittelliefervertrag (ALV) ist die in der vertragsärztlichen Verordnung angegebene Ersatzkasse zur Zahlung verpflichtet. Lediglich die in § 4 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 bis 8 ALV im Einzelnen aufgeführten Verordnungen dürfen nicht zu Lasten der Ersatzkassen beliefert werden, es sei denn, sie sind bei bestimmten Indikationsstellungen verordnungs- und erstattungsfähig. Nach § 4 Abs. 5 S. 3 ALV gilt S. 2 nur, wenn das verordnete Produkt zum Zeitpunkt der Belieferung der Verordnung in der Lauer-Taxe als ein nach den Ziffern 1 bis 7 nicht abgabefähiges Produkt gekennzeichnet ist. Im Übrigen sind die Apotheken nicht zur Überprüfung der Verordnungsfähigkeit des verordneten Medikaments verpflichtet (§ 4 Abs. 5 S. 4 ALV), stellt das Bundessozialgericht klar.

Die Wertgrenze für eine nach § 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 HWG zulässige Werbegabe liegt auch bei Angehörigen der Fachkreise bei 1,00 Euro.

Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 22.02.2018, AZ: 2 U 39/17


Die kostenlose Abgabe von Arzneimittel durch einen Hersteller an Apotheken im Rahmen einer Werbeaktion verstößt gegen § 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 HWG, wonach es unzulässig ist, „Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen)“ anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, soweit die Werbemittel nicht unter die dort genannten Ausnahmetatbestände fallen. Der Begriff der Werbegabe erfasst grundsätzlich jede aus der Sicht des Empfängers nicht berechnete geldwerte Vergünstigung, die im Zusammenhang mit der Werbung für ein bestimmtes oder mehrere konkrete Heilmittel gewährt wird. Mit der Norm des § 7 HWG sind grundsätzlich alle (über eine Geringwertigkeitsschwelle hinausgehende) finanziellen oder materiellen Vorteile verboten, denen keine anerkannte Gegenleistung gegenübersteht. Bei der kostenlosen Arzneimittelabgabe durch den Hersteller handelt es sich auch nicht lediglich um allgemeine Firmenwerbung, welche nicht von § 7 HWG umfasst wäre. Bei Zugrundelegung eines Apotheken-Einkaufspreises von 27,47 Euro ist die Zuwendung nicht geringwertig. Für Zuwendungen an den Verbraucher hat der Bundesgerichtshof eine Wertgrenze von 1,00 Euro definiert (BGH, Urteil vom 08. Mai 2013 – I ZR 98/12). Die Wertgrenze von 1,00 Euro gilt in gleicher Weise für die Angehörigen der Fachkreise.

DocMorris-Apothekenautomat verstößt gegen Wettbewerbsrecht.

Landgericht Mosbach, Urteil vom 15.02.2018, AZ: 4 O 37/17, 4 O 39/17, 3 O 9/17, 3 O 10/17 und 3 O 11/17


Das Landgericht Mosbach hat dem Versandhändler DocMorris und der Mieterin der Räume den Betrieb eines Apothekenautomaten verboten. DocMorris hatte nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel über einen Automaten verkauft. Dazu gaben Mitarbeiter in den Niederlanden das Medikament per Knopfdruck frei, nachdem zuvor eine Beratung per Videochat stattgefunden hatte. DocMorris argumentierte, es handele sich bei dieser Form der Abgabe mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln um Versandhandel. Dem widersprach das Gericht. Allein der Umstand, dass die Arzneimittel nach einer Videoschaltung freigegeben würden, mache deren Abgabe nicht zum Versandhandel, so das Gericht. Die hier praktizierte Abgabe und Lagerung von Arzneimitteln verstoße gegen das Arzneimittelgesetz und sei auch wettbewerbswidrig. Die Abgabe sei nur in einer Apotheke oder durch den Versandhandel einer Apotheke zulässig – beides sei hier nicht gegeben. Die Entscheidung des LG Mosbach ist noch nicht rechtskräftig.

Die Abgabe von Brötchengutscheinen im Zusammenhang mit dem Verkauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel ist rechtswidrig.

Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 2.12.2017, AZ: 6 U 164/16


Eine Apotheke gab ihren Kunden beim Erwerb rezeptpflichtiger, preisgebundener Arzneimittel ungefragt einen „Brötchen-Gutschein“ mit. Der Gutschein konnte bei einer in der Nähe liegenden Bäckerei eingelöst werden. Grundsätzlich gelte für verschreibungspflichtige Arzneimittel nach der AMPreisVO ein einheitlicher Apothekenabgabepreis, so das OLG Frankfurt. Sinn der Vorschrift sei es, den Preiswettbewerb unter den Apotheken zu regeln. Hiergegen verstoße ein Apotheker, der preisgebundene Arzneimittel zwar zum korrekten Preis, aber gekoppelt mit einem weiteren wirtschaftlichen Vorteil – etwa in Form eines Gutscheins – abgebe. Nach der Lebenserfahrung könnten – gerade wenn der Abgabepreis in allen Apotheken identisch ist – auch Zuwendungen von geringem Wert den Kunden veranlassen, bei nächster Gelegenheit ein preisgebundenes Arzneimittel in der Hoffnung auf weitere Vergünstigungen wieder in der gleichen Apotheke zu erwerben, betonte das OLG.

Genereller Ausschluss des Widerrufsrechts von Verbrauchern im Onlinehandel mit Arzneimitteln nicht zulässig.

Oberlandesgericht Naumburg, Urteil vom 22.06.2017, AZ: 9 U 19/17


Der Betreiber einer Internetapotheke hatte in seinen AGB das Widerrufsrecht für apotheken- und verschreibungspflichtige Arzneimittel generell ausgeschlossen. Zur Begründung wurde unter anderem mit der Verderblichkeit von Medikamenten argumentiert.

Eine entsprechende Klausel in AGB verstoße gegen die Vorschrift des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Denn eine solche allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB) benachteilige den Kunden unangemessen, da sie von den gesetzlichen Regelungen der §§ 312 g, 355 BGB abweiche und mit den wesentlichen Grundgedanken dieser Vorschrift nicht zu vereinbaren sei, so das OLG. Diese Normen gewährten dem Verbraucher auch beim Vertrieb von Arzneimitteln im Fernabsatz ein Widerrufsrecht, so dass der Ausschluss dieses Rechts eine unangemessene Benachteiligung in dem genannten Sinn darstellt. Auch aus § 312g Abs. 2 BGB ergäbe sich keine generelle Ausnahme für Arzneimittel. § 312 g Abs. 2 Nr. 2 BGB bestimmt, dass bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde, kein Widerrufsrecht besteht.